Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Eine gute Nachricht: Im Jahr 2024 wurden die nationalen Klimaziele erreicht. Die schlechte Nachricht: Der Verkehrssektor bleibt das Sorgenkind der deutschen Klimapolitik.
Der Verkehr trägt als drittgrößter Sektor rund ein Fünftel zu den nationalen Treibhausgasemissionen bei. Zwar stoßen moderne Pkw pro gefahrenen Kilometer immer weniger CO2 aus, doch dieser Fortschritt wird durch andere Entwicklungen mehr als kompensiert: Pkws werden größer und schwerer, die Fahrleistung insgesamt steigt. Eine kurze Ausnahme bilden die Pandemiejahre, die jedoch keine Trendveränderung bewirkt haben.
Die Folge: Die Gesamtemissionen im Verkehrssektor sinken kaum.
Steckt die Verkehrswende in der Sackgasse? Wie weit reichen die aktuellen politischen Maßnahmen? Der Projektionsbericht des Umweltbundesamtes von 2025 zeigt einen sehr langsamen Rückgang der Emissionen im Verkehrsbereich. Laut Prognose des Berichts wird Deutschland mit den geplanten politischen Maßnahmen bis 2030 die Reduktionsziele in diesem Sektor um 169 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (dunkelblau) verfehlen.
Aber welche Maßnahmen könnten eine notwendige Trendwende im Verkehrssektor einleiten? Antworten auf diese Frage bietet das interaktive Tool MappingZero von dem Verein German Zero e.V. Mit wenigen Klicks lässt sich simulieren, wie viele Tonnen CO2 durch ausgewählte Maßnahmen eingespart werden könnten – und ob damit die Klimaziele erreicht werden können.
Mappingzero - Klimawirkung simulieren
Das kostenfreie Tool ermöglicht es, einzelne Sektoren auszuwählen und konkrete CO2-Einsparpotenziale zu berechnen. Ich habe mich für den Bereich Verkehr und Mobilität entschieden. MappingZero zeigt, dass in diesem Bereich bis 2045 rund 1.529 Millionen Tonnen CO₂ anfallen – wenn alles so läuft wie bisher. Diese Emissionen müssen so schnell und ambitioniert wie möglich reduziert werden. Es werden zwölf Maßnahmen mit ihrem entsprechenden Einsparpotenzial angezeigt. Die vier effektivsten Schritte würden insgesamt bereits knapp die Hälfte der Emissionen einsparen:
- Verkauf von neuen Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2027 stoppen (minus 361 Mio. Tonnen),
- Tempolimit einführen: 100km/h Autobahn, 80 km/h außerorts, 30 km/h innerorts (minus 170 Mio. Tonnen),
- Koordinierungsstelle für Autonomes Fahren im ÖPNV einrichten. Ziel ist es, ÖPNV im ländlichen Raum jederzeit anbieten zu können. Autonomfahrende Angebote können eine günstige Alternative zum eigenen Auto sein (minus 105 Mio. Tonnen) und
- Kosten im Schienenverkehr senken und langfristige Finanzierung sicherstellen (minus 100 Mio. Tonnen).
Koalitionsvertrag ohne Kurswechsel - wo die großen Hebel fehlen
Anschließend suche ich diese Maßnahmen im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung.
- Ein "Verbrenner-Aus" für Pkw ist nicht geplant. Stattdessen setzt die Regierung auf "Technologieoffenheit" in der Autobranche. Die Förderung von E-Mobilität ist beabsichtigt sowie der Ausbau der Ladeinfrastruktur, Strafzahlungen bei Überschreitung von Flottengrenzwerten sollen nicht erfolgen.
- Der Begriff "Tempolimit" taucht im Koalitionsvertrag der neuen Regierung nicht auf.
- Autonomes Fahren und On-Demand-Angebote für den ländlichen Raum sind nicht aufzufinden. Ein Modernisierungspakt soll jedoch mehr Gelder für die Stärkung des ÖPNV bereitstellen.
- Die Bahninfrastruktur soll saniert und ausgebaut werden.
Es sind durchaus positive Vorhaben im Koalitionsvertrag erkennbar, die großen Hebel, die es für eine wirkliche Trendwende im Verkehrsbereich braucht, werden jedoch nicht aufgegriffen. Konkrete Ziele für die Bahn, den ÖPNV und E-Mobilität werden nicht genannt. Rad- und Fußgängerverkehr werden in einem Satz erwähnt. Gleichzeitig werden umweltschädliche Subventionen wie die Pendlerpauschale und die Dienstwagenbesteuerung erhöht. Insgesamt mangelt es dem Koalitionsvertrag an verbindlichen Zielen.
MappingZero stärkt Bewusstsein und Beteiligung
Das Tool MappingZero bietet eine fundierte Orientierung in Klimaschutzdebatten, indem es die wirksamsten politischen Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung aufzeigt. Nutzer*innen erhalten einen Überblick darüber, welche Schritte tatsächlich einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten, wie ambitioniert diese ausgestaltet sein müssen und welchen Unterschied der Zeitpunkt der Umsetzung macht. Die Plattform ermöglicht es, Klimapolitik vom Ziel her zu denken und vermittelt wissenschaftlich fundierte Fakten, Argumente und Zahlen zur Wirksamkeit einzelner Maßnahmen.
Durch die intuitive Bedienung eignet sich MappingZero sowohl für den schulischen als auch den außerschulischen Einsatz.
Wer sich engagieren möchte, kann gezielt die Handlungsfelder identifizieren, die etwa eine Verkehrswende beschleunigen und so einen besonders großen Hebel für wirksame Klimapolitik darstellen.
So geht Verkehrswende: Erfolgreiche Beispiele
Regulierung und finanzielle Anreize
• Verbrenner-Aus (Norwegen): Seit 2025 keine Neuzulassungen für Verbrennungsmotoren, starke steuerliche Förderung von E-Autos. Quelle.
• Social Leasing (Frankreich): Staatliche Förderung – günstige E-Autos für kleinere und mittlere Einkommen. Quelle.
• Tempolimit Autobahnen (fast alle EU-Länder): 120-130 km/h. Quelle. Viele Städte setzen auf Tempo 30: Oslo, Graz, Mainz, Hannover, Antwerpen, Helsinki u.v.m. Quelle.
• Ein Jahr ohne Auto (Marburg): 1250 Euro für Carsharing und Angebote des ÖPNV für ein Jahr ohne Auto. Quelle.
• Förderung klimaverträgliches Pendeln (Schweiz, Belgien, Niederlande): Steuerliche Vorteile für Pendeln mit Fahrrad, Bus und Bahn. Quelle.
Investitionen in Infrastruktur und Angebote
• Investitionen in die Schieneninfrastruktur (Luxemburg): 512 € pro Kopf, zum Vergleich in Deutschland: 115 € pro Kopf. Quelle.
• Radverkehr fördern (Dänemark): In Kopenhagen werden jährlich rund 35 Millionen Euro in Radwege und Radinfrastruktur investiert. Radverkehrsanteil über 40 Prozent. Quelle.
Neue Mobilitätskonzepte und Stadtentwicklung
- Superblocks (Barcelona, Leipzig): Stadtviertel werden zu "Superblocks" umgestaltet: weniger Autos, mehr Raum für Fuß- und Radverkehr. Quelle.
Welche Maßnahmen im Bereich Verkehr wünschst du dir in deiner Region? Welche Auswirkungen würden diese Maßnahmen auf deinen Alltag haben?
Schreibt uns in die Kommentare.
Mehr zum Thema in der Denkwerkstatt Konsum
- Denkwerkstatt Konsum: Nachhaltiger Konsum und Politik
- Verantwortung im Wechselspiel: Die Rolle von Politik und Individuum für nachhaltigen Konsum:
Quellen und weiterführende Informationen
- Link zum Tool MappingZero
- Umweltbundesamt (2017): Die Stadt für Morgen. Umweltschonend mobil – lärmarm – grün – kompakt – durchmischt.
- Umweltbundesamt Pressemitteilung (2025): Klimaziele bis 2030 erreichbar
- Hintergrundinformationen Verkehr: https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs
- Umweltbundesamt Projektionsbericht (2025): Treibhausgas-Projektionen 2025 – Ergebnisse kompakt
- Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2025.
- VCÖ (2021): Verkehrswende – Good Practice aus anderen Ländern. In: VCÖ-Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, 2/2021.
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