Ob eine Möhre frisch ist oder ein Kleidungsstück passt, können Konsument*innen leicht herausfinden. Ob die Möhre oder die Baumwolle ökologisch angebaut und unter fairen Arbeitsbedingungen geerntet wurde und ob bei der Herstellung der Kleidung Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wurde, bleibt für das Auge unsichtbar. Häufig fehlen bei Produkten Angaben zu ökologischen und sozialen Aspekten – die sogenannten Nachhaltigkeitseigenschaften. Konsument*innen können deshalb nur schwer erkennen, ob ein Produkt wirklich nachhaltig ist. Zwar hat sich die Kennzeichnung zum Beispiel durch Ökolabel im Gegensatz zu früher deutlich verbessert, ein Beispiel ist der staatliche „Blaue Engel“. Als ältestes Umweltsiegel wurde es 1978 eingeführt. Dennoch gibt es nach wie vor Informationsdefizite, was die nachhaltigen Qualitäten eines Produkts angeht. Deshalb bedarf es gesonderter und besonders "glaubwürdiger" Informationsangebote, um die nachhaltigen Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen sichtbar und erkennbar zu machen.

Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentrale finden 63 Prozent der Befragten die Informationen zu den Produkten nicht ausreichend, 36 Prozent kaufen nicht nachhaltig ein, weil sie die Produkte nicht erkennen.

Darstellung von Umfrageergebnissen unter Verbraucher*innen


EU-Energielabel

Ein gelungenes und etabliertes Beispiel mit starker Außenwirkung ist das EU-Energielabel. Laut der EU-Kommission kennen und nutzen rund 85 Prozent der europäischen Verbraucher*innen das EU-Energielabel beim Gerätekauf. Eingeführt wurde es im Jahr 1998. Was das Energielabel auszeichnet? Es ist gut erkennbar, es ist Pflicht und betrifft eine große Produktpalette von Auto bis Waschmaschine. Außerdem wurden die Energieeffizienzklassen im Verlauf der Jahre mehrmals angepasst und in ihrem Informationsgehalt für Verbraucher*innen verbessert. Ab März 2021 sollen neue Label für mehr Transparenz im Gerätevergleich sorgen.  

Neben den neuen Energieeffizienzklassen legte die EU-Kommission bei elf neuen Ökodesign-Verordnungen weitere Nachhaltigkeitsstandards bei Elektrogeräten fest. Dazu gehört beispielsweise die Reparatur- und Recycling-Fähigkeit, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparaturanleitungen. Diese Informationen sind nicht Teil des neuen Energielabels, sollen Verbraucher*innen aber in Form von Aufklebern oder möglicherweise über die Europäischen Produktdatenbank für die Energieverbrauchskennzeichnung (EPREL-Datenbank) der EU künftig zur Verfügung stehen.

Energielabel Kühlschrank

Damit sich nachhaltige Produkte verbreiten, müssen Konsument*innen sie nicht nur erkennen, sondern auch finden können – am besten an ihren gewohnten Einkaufsorten. Könnte Werbung intensiver für die Verbreitung noch wenig bekannter nachhaltiger Produkte genutzt werden?
 
Unternehmen wollen, dass ihre Produkte gesehen und gekauft werden. Sie geben deshalb viel Geld für Werbung aus. Laut einer Studie von research tools haben Stromanbieter 56 Millionen Euro in den Jahren 2016/2017 für Werbung im Bereich „Erneuerbare Energien“ ausgegeben und ihre Werbeausgaben dort um mehr als zwölf Millionen erhöht. Unternehmen reagieren zunehmend darauf, dass immer mehr Menschen Klima- und Umweltschutz als wichtig ansehen. Demzufolge fließt auch mehr Geld in die Werbung.   

Im Vergleich dazu stehen Projekten in der Umweltbildung und -kommunikation geringe Summen zur Verfügung. Natur- und Umweltschutzverbände generieren ihre Einnahmen zum großen Teil aus Spenden. Greenpeace hatte 56 Millionen Euro (2016) und der BUND rund 20 Millionen Euro (2016) Spendeneinnahmen. Das klingt nach viel? Ist es aber nicht: Mit diesem Geld finanzieren die Verbände sehr viele und unterschiedliche Projekte, sodass sie nur einen geringen Teil zum Beispiel für die Kommunikation von nachhaltigem Konsums nutzen.

Deshalb ist es im Prinzip gut, wenn Ausgaben für Werbung zur „Umweltkommunikation“ werden, indem Unternehmen für ihre nachhaltigen Produkte werben, denn so verbreiten sie nachhaltigen Konsum: Supermärkte werben für Biolebensmittel, Ökostromanbieter für erneuerbare Energien oder Ökobanken für nachhaltige Geldanlagen. Laut einer Online-Befragung des Magazins „Utopia“ sind 82 Prozent Befragten offen für Inspiration und Werbung. 33 Prozent sagen, dass sie „voll und ganz“ der Aussage zustimmen, dass Werbung sie zum Kauf von nachhaltigen Produkten inspiriert, weitere 49 Prozent stimmen dem „eher“ zu. 

 

Während Umweltbildung und -kommunikation das Ziel haben, Konsument*innen aufzuklären und damit zu bewussten, umweltfreundlichen Konsumentscheidungen zu motivieren, werden diese aber zu einem großen Anteil durch unterbewusste Einflussfaktoren bestimmt. Solche Einflussfaktoren sind Gewohnheiten (Welches Verkehrsmittel nutze ich täglich?), soziale Normen (Welche Mode ist angesagt?), Vergleiche (Welche Produkte kaufen meine Freunde?) oder Gefühle (Was tut mir gut?). Erfolgreiche Werbung berücksichtigt und adressiert deshalb diese unbewussten Entscheidungsgrößen. 

Das Gleiche gilt aber auch für Umweltpolitik wie für uns selbst: Wenn wir bewusst die Entscheidungslogiken des Unterbewusstseins berücksichtigen und die Entscheidungssituationen so ändern, dass umweltfreundlichere Konsumentscheidungen „automatisch“, d. h. ohne intensives Nachdenken getroffen werden, können wir nachhaltigen Konsum dauerhafter und erfolgreicher in der Gesellschaft verankern. Das funktioniert im Großen, wenn z. B. mittels Steuerpolitik umweltfreundliche Produkte günstiger, umweltschädliche Produkte teurer werden. Oder wenn gut ausgebaute Radwege in einer Stadt es Bürger*innen erleichtern, das Fahrrad anstelle des Autos zu nehmen. 

Es funktioniert aber auch im Kleinen: Werden zum Beispiel Obst und Salate in einer Kantine auf Augenhöhe positioniert oder an der Warteschlange zur Kasse, greifen die Angestellten eher zu, als wenn Obst und Salate einen anderen Standort haben. Oder wenn im Drucker das doppelseitige Drucken als Standardkonfiguration voreingestellt ist. Es gibt noch viele Beispiele dafür, wie das unbewusste Verhalten von Konsument*innen beeinflusst werden kann. In der Fachsprache wird das Nudging genannt, wenn Menschen quasi in ein Verhalten „gestupst“ werden, ohne dass sie dazu verpflichtet werden. In dem oben genannten Beispiel greifen die Menschen zum Salat, weil ihnen die Entscheidung erleichtert wird. 

Es geht demnach nicht nur darum, nachhaltigen Konsum möglichst sichtbar und zur bewussten Entscheidung zu machen, sondern – im Gegenteil – auch darum, die Entscheidungssituationen so zu gestalten, dass wir uns unterbewusst bzw. automatisch für nachhaltige Konsumoptionen entscheiden. Auf diese Weise kann nachhaltiger Konsum zum Standard werden.